Kausalitäten -> Autonomes Fahren: Milliardengrab oder Hype?

19.06.2018

Eine schöne Vorstellung ist es schon: Entspannt im Auto sitzen, eine Zeitung oder ein Buch lesen, ab und zu aus dem Fenster schauen. Die eingebaute Kaffeemaschine brüht einen frischen Kaffee auf.

Leider pure Zukuinftsmusik! In der Realität sind wir noch sehr weit davon entfernt.

Image StadtautobahnStadtautobahn mit Tunnel

Über das autonome Fahren wird sehr viel diskutiert. Beleuchten wir zu Beginn, worum es dabei geht.
Es gibt Bestrebungen in Europa und den USA, den Begriff des autonomen Fahrens überhaupt zu definieren. Man hat dazu 6 Autonomiestufen entwickelt, die von

  • "Level 0" - Volle Steuerung durch menschlichen Fahrer - bis zum
  • "Level 5" - Kein menschlicher Fahrer erforderlich (in Europa nicht definiert) - reichen

Das sind aber nur Begriffsdefinitionen. Es gibt bis dato keine und schon gar keine gemeinsamen Normierungen bezüglich der technischen Umsetzung! Es gibt keine verbindlichen Kataloge von Situationen, in denen grundsätzliche Prämissen sowie das Verhalten autonomer Fahrzeuge beschrieben und festgelegt werden!
Das bedeutet: Jeder versteht unter "autonomen Fahren" etwas anderes!

Zur besseren Verdeutlichung teilen wir hier autonome Fahrzeuge ein in

  • Hybrid autonome Fahrzeuge - ein menschlicher Fahrer kann jederzeit wieder die Kontrolle übernehmen - und
  • Fahrerlose autonome Fahrzeuge - können zu keiner Zeit von einem Menschen gesteuert werden

Was macht die Thematik des autonomen Fahrens so schwierig?
Weil die oberste Prämisse - die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten - unbedingt einzuhalten ist!
Ein amerikanischer Hersteller bot für eine seiner Fahrzeugreihen einen 'Autopilot' an, bemerkte aber dazu, dass aufgrund von Einschränkungen des 'Autopilot' jederzeit ein menschlicher Fahrer, der ständig den Verkehr beobachtet, bereit sein muss, die Kontrolle zu übernehmen.
Dass das in der Praxis wohl nicht immer eingehalten wird, liegt auf der Hand.
Im Mai 2016 kam es dann tatsächlich zum GAU, dem 'größten anzunehmenden Unfall'!
Ein Fahrer kam bei einem Autounfall auf einem kalifornischen Highway ums Leben. Er war bei eingeschaltetem 'Autopilot' ungebremst auf einen Lastwagen-Anhänger geprallt, der die Fahrbahn querte.
Untersuchungen ergaben, daß die weiße Seite des Anhängsrs vor dem hellen Hintergrund des Himmels vom Autopilot - und auch vom Fahrer - nicht erkannt und die Bremse nicht betätigt wurde.

Mittlerweile sind weitere kleinere Unfälle mit hybrid autonomen Fahrzeugen aufgetreten, die glücklicherweise allesamt nur mit Blechschäden ausgingen.

Damit deutet sich die zentrale Problematik bereits an:
Kann das Computersystem eines autonomen Fahrzeugs jederzeit sicherstellen, daß seine Entscheidungen keinen Unfall verursachen?

Wie agieren andere autonome Transportsysteme, mit denen Menschen befördert werden?
Im schienengebundenen Personenverkehr gibt es bereits Beispiiele von fahrerlosen autonomen Fahrzeugen. Diese finden sich beispielsweise auf Flughäfen, um Fluggästen den Wechsel zwischen Terminals problemlos zu ermöglichen. Diese Shuttle-Fahrzeuge bewegen sich kreuzungsfrei auf ausschließlich von ihnen selbst genutzten Fahrbahnen und interagieren nicht mit anderen Verkehrsmitteln.
Das funktioniert in der Praxis offensichtlich gut, von gelegentlichen technischen Defekten einmal abgesehen.

Die U-Bahnen sind hier schon einen Schritt weiter. In vielen europäischen Städten sind sie technisch für den autonomen Betrieb ausgerüstet und vorbereitet - und tun dies bereits auch auf einzelnen Linien. In Kopenhagen fahren sogar alle Linien autonom!

Wie gehen andere Transportsysteme mit ihren Risiken um?
Ein Beispiel für die vorausschauende Reduzierung unwägbarer Risiken sind die Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahnen! Nicht umsonst werden diese zunehmend durch hohe, stabile Zäune und Mauern abgeschottet. Die Risiken der Zugänglichkeit durch Jedermann und Irgendwas sind den Betreibern zu groß, um dem naiven Denken "Es wird schon alles gutgehen" Raum zu lassen. Jede einfache Zugangsmöglichkeit kann eine Katastrophe auslösen.

Im autonomen Individualverkehr dagegen sind nicht die extrem hohen Geschwindigkeiten das Hauptproblem, sondern die unüberschaubare Anzahl potentieller Unwägbarkeiten.

Die Verlagerung eines autonomen Fahrzeugverkehrs auf eigene Fahrspuren analog zum Bahnverkehr wäre zwar sinnvoll, ist aber wegen der damit verbundenen immensen Kosten illusorisch.

Die Hersteller autonomer Automobile stehen bezüglich der Risikobewältigung noch am Anfang! Es mutet fast schon wie ein Sandkastenspiel an, wenn in Videos stolz die Meisterung einer Gefahrensituation eines autonomen Fahrzeugs präsentiert wird - und man nur bei leicht genauerem Hinsehen erkennt, unter welch optimierten Bedingungen diese Präsentationen erfolgen.

Keine Rede von extremer Hitze//Kälte, Starkregen, Hagel, Sturm und Gewitter, Wüstensand, Schnee, Baustellen, unbeschrankte Bahnübergänge, Notbremsungen, um nur 'banale', weil häufig auftretende, Herausforderungen zu nennen.

Image BaustellenverkehrBaustelle Kreuzung mit Straßenbahnen, Radfahrwegen und Fußgängern

Von einer Serienreife, die die üblichen Gefahrensituationen meistert, sind die Hersteller noch Jahre bis Jahrzehnte entfernt. Und es ist noch nicht gesagt, ob es überhaupt gelingt!

Zudem fehlt auf breiter Ebene die Setzung von Rahmenbedingungen durch den/die Gesetzgeber!
Unausgereifte Fahrzeuge bei fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen sind eine brisante Mixtur, die zu einer unsicheren Rechtslage bei Konflikten führen kann.
Wer haftet bei einem Unfall?
Selbst die Haftungsfrage kann in einem anderen Staat völlig anders bewertet werden.
Versucht sich jede einzelne Staatsregierung an Regularien für autonome Fahrzeuge, wird ein inkompatibles Sammelsurium einzelner Bestimmungen die Folge sein. Und noch nicht einmal das ist derzeit in Sicht! Es gibt bisher nirgendwo durchdachte, stringente Vorgaben zum autonomen Autofahren, die alle denkbaren Aspekte berücksichtigen!

Zum Nachweis der eigenen Fahrtüchtigkeit und zur Dokumentation einer Unfallsituation sollte jedes autonome Fahrzeug eine 'Black Box' ähnlich den von Flugzeugen an Bord haben müssen, die alle Sensor- und Kameradaten über einen gewissen Zeitraum speichert.
Derzeit aber rüstet nur ein Hersteller hybrid autonomer Fahrzeuge seine Modelle serienmäßig mit einer Black Box aus!
Andere Hersteller spielen mit der Idee, Fahrzeugdaten online auf eigenen Servern zu sichern. Was wiederum die nächste juristische Frage aufwirft: Wem gehören diese Daten und was passiert mit ihnen?

In Summe ist es, streng genommen, unverantwortlich, autonom agierende Fahrzeuge schon jetzt am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen! Es ist ein Trial-and-Error-Verfahren auf dem Rücken der anderen Verkehrsteilnehmer nach dem Prinzip 'Hoffnung': "Es wird schon nichts passieren". Leider ist dieser Fall aber schon eingetreten (s. o.).
In der Realität geschieht das genaue Gegenteil: In 2018 wurde das (voll-) autonome Fahren in Deutschland erlaubt und das Computersystem dem menschlichen Fahrer gleichgestellt!

Warum werden die Gesetzgeber bezüglich präventiver Regularien nicht aktiv?

  • Der erste Grund ist sicherlich: Weil auch sie die Komplexität der Thematik nicht überblicken und sie, um kein wahlenschädliches öffentliches Desaster zu riskieren, falls sie zu kurz springen, sich deswegen nicht aus der Deckung wagen.
  • Der weitaus gewichtigere zweite Grund ist die wirtschaftliche Bedeutung der Automobilkonzerne bzw. anderer Großunternehmen, wie z. B. Google, und deren Einfluß in den jeweiligen Staaten. In stark von der Automobilindustrie abhängigen Staaten, wie z. B. Deutschland, Japan, Frankreich, Italien, zeigt sich, sehr schön sichtbar durch die aktuelle Diskussion über Abgas-Manipulationen, besonders in Deutschland, daß nichts, aber auch gar nichts ohne Zustimmung der Automobilindustrie in Gesetzesform gegossen wird.

Als Ironie des Schicksals ist wohl am ehesten einem autoritären Staat wie China zuzutrauen, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen und zumindest für dieses Land bindende Regelungen für autonomes Fahren zu entwickeln - und umzusetzen!
Das hätte dann schon eine Größenordnung, die für alle Beteiligten durch den immer noch steigenden Absatz von Fahrzeugen in diesem Land kaum zu ignorieren wäre!

Was bedeutet das alles für die zukünftige Entwicklung des autonomen Fahrens?
Die einzige vergleichbare, aber weltweit funktionierende technische Großeinrichtung - das Internet in der heutigen Form - funktioniert nur, weil es sich evolutionär und selbststeuernd, nicht administrativ, über mehrere Jahrzehnte entwickelt hat. Neuerungen konnten immer wieder - von Fachleuten aus Nicht-Regierungs-Gremien - zu Normen erhoben werden, denen auch gefolgt wurde.
Die Politik war damals klug genug, sich aus diesem Entwicklungsprozess weitgehend herauszuhalten, auch und gerade wegen ihrer mangelnden Sachkenntnis, die übrigens teilweise bis heute andauert.
Dieser evolutionäre Entwicklungspfad wird den Beteiligten des autonomen Fahrens wohl verschlossen bleiben, weil die Strukturen hier völlig anders geartet sind. Eine Fehlbedienung des Internets wird wohl kaum den Tod des Bedieners nach sich ziehen, Anders beim autonomen Fahren.
Außerdem ist schon zu viel Geld in die Insellösungen, Teillösungen und Studien der einzelnen Akteure geflossen, um auf den zu erwartenden 'Return of Inverstment' zu verzichten.

Wie steht es um die Kosten-Nutzen-Relation des autonomen Fahrens oder anders gefragt: Lohnt sich das überhaupt?
Diese Frage erscheint trivial und daher leicht zu beantworten. Schaut man etwas genauer hin, tauchen noch weitere Überlegungen auf:

  • Keiner der Automobiproduzenten kann sich heute dieses Themas entziehen. Es steht in der gesellschaftlichen Sichtweise für Zukunft und ein Hersteller wäre in der gesellschaftlichen Achtung (und damit in seinen Umsätzen!) irreparabel geschädigt, würde er sich hier verweigern (eine gute Analogie aus diesem Bereich ist die Entwicklung zum klassischen Verbrennungsmotor alternativer Antriebe, die anfangs von den deutschen Herstellern ignoriert wurde, aber nach gewaltigen Renommee-Verlusten gezwungen hat, diesen Rückstand aufzuholen)..
  • Autonome Fahrzeuge werden traditionelle Fahrzeuge auch auf langes Sicht nicht ersetzen oder verdrängen. Dafür ist deren Basis einfach zu groß. Sie werden in Städten und Ballungszentren ihren Anteil erobern, unter wie auch immer gearteten Schmerzen. Traditionelle Fahrzeughersteller werden also künftig mindestens 2 Entwicklungslinien betreiben müssen, anstatt nur Einer. Hier sind 'Quereinsteiger', wie z. B. Google, im Vorteil, die nur auf ein Pferd setzen müssen.

Man kann also folgern, daß diese Fragestellung nicht mehr relevant ist! Der Zug ist bereits am Rollen und er wird auf absehbare Zeit nicht stehenbleiben. Wie immer, werden die Käufer neuer Fahrzeuge, unabhängig von deren technischer Ausgestaltung, für diese Entwicklungen zur Kasse gebeten werden.

Es läuft auf einen harten Verdrängungswettbewerb hinaus, bei dem der Spieler die Nase vorn haben wird, der genügend finanzielle Ressourcen für die technische Entwicklung und, vor allem, für die Lobby- und Marketingarbeit aufbringen kann.
Die Qualität der technischen Umsetzung wird dabei nicht im Vordergrund stehen, ähnlich seinerzeit bei der Einführung der Video-Kassette, bei der das VHS-System sich unter den 3 konkurrierenden Systemen durchsetzte, obwohl es technologisch am wenigsten überzeugen konnte..

Fazit:
In der aktuellen Form hat das Auftreten dieser Technologie etwas vom 'Wilden Westen'!
Vom Gesetzgeber weitestgehend ungeregelt und damit autorisiert, gilt aktuell die Devise: "Jeder darf hier spielen!"
Künftige Gewinne werden in eine Richtung fliessen, die Lasten (Unfallopfer, überhöhte Kaufpreise) werden von der Masse getragen werden. Also alles wie gehabt.
Der Konsument kann theoretisch über die Verbreitung dieser Technologie entscheiden, sofern er sich von dem künftigen Marketing- (Hersteller) und dem Anreiz-Bombardement (Staat) emanzipieren lernt.

Aufhorchen läßt eine neue Tendenz, die in der heutigen Jugend schon weit verbreitet ist:
Viele von Ihnen bezweifeln die Sinnhaftigkeit des Besitzes eines individuellen Automobils, besonders in Städten, wo eine dichte öffentliche Infrastruktur die Mobilität des Einzelnen zu fast jeder Tageszeit sicherstellt.
Sie enthalten sich häufig (einfach wegen der hohen Kosten und des knappen Parkraumes) des Besitzes eigener Fahrzeuge zugunsten von Car-Sharing-Modellen, falls doch einmal ein Individualfahrzeug benötigt wird. Diese fanden erst dadurch zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz, die sogar einige der großen Player als Anbieter auf den Plan rief.
Denkt man diese Entwicklung weiter, so ist keineswegs sicher, daß autonome Fahrzeuge sich z. B. in Ballungsräumen etablieren werden, einfach weil auch diese Technologie den Menschen dort keine signifikanten Vorteile bringt.

Die künftige Entwicklung dieser Thematik wird noch in mehrerlei Hinsicht sehr interessant werden.
Wird diese Technologie ihren Platz finden oder läuft die Realität den Interessen der Anbieter in der Zukunft einfach davon, weil die alten Konzepte des Individualverkehrs bei den jungen Menschen nicht mehr greifen?

Dann bliebe den Herstellern autonomer Individualfahrzeuge irgendwann nur das Resümee: "Außer Spesen nichts gewesen!"

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